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"Pessimismus"? (Schopenhauer)
"Supertrick"? (K. Wilber)
   
 


Versuchen wir die Lebenserfahrung auszukundschaften, die sich hinter dem philosophischen Konzept von Schopenhauer verbirgt:

Mit etwa 21 Jahren schreibt Schopenhauer: »Das Elend des Lebens tritt wohl nie in helleres Licht, als wenn ein denkender Mensch das Ungewisse, Missliche desselben, die gänzliche Nacht, in der er lebt, eben recht deutlich, mit Grausen gesehn hat«.  Schopenhauer hat es während seines ganzen Lebens und über sein ganzes philosophisches Werk hinweg deutlich gesehen - und war dadurch paralysiert: Das Gehen ist ihm »nur ein stets gehemmtes Fallen« und »das Leben unsers Leibes nur ein fortdauerndes gehemmtes Sterben, ein immer aufgeschobener Tod: endlich ist ebenso die Regsamkeit unsers Geistes eine fortdauernd zurückgeschobene Langeweile.  Jeder Atemzug wehrt den beständig eindringenden Tod ab. Zuletzt muss er siegen: denn ihm sind wir schon durch die Geburt anheimgefallen, und er spielt nur eine Weile mit seiner Beute, bevor er sie verschlingt.«

Der Mensch ist» ein Konkrement von tausend Bedürfnissen« und sein Leben mit der Sorge um seine Existenz und ihre unaufhörlichen Anforderungen ausgefeilt.  Er wird durch die verschiedenenartigsten Gefahren bedroht: Feinde lauern ihm auf; er ist ohne Sicherheit, seinen Weg verfolgt er mit »behutsamem Schritt« und »ängstlichem Umherspähen«, dessen aber gewiss, dass er sein Leben verlieren wird.  Das Dasein wird nicht ertragen aus Liebe zum Leben, sondern aus Furcht vor dem Tode, der im Hintergrund lauert, als »der größte, totale, unvermeidliche Schiffbruch«.

Einzelne Einträge in den Reisetagebüchern aus den Jahren 1803-1804 zeugen von der ausgeprägten Sensibilität des jugendlichen Arthur Schopenhauer.  So drücken beispielsweise der Bericht über den Besuch des Kerkers in Toulon oder die Beschreibung des empörenden Anblicks einer »englischen Hängeszene« seine tiefe Bestürzung aus. Ebenso gilt seine Entrüstung der Gleichgültigkeit der Menschen, wie er sie beispielsweise in der Gesellschaft des nachrevolutionären Lion antrifft. »Es ist unbegreiflich«, so das Fazit des jungen Schopenhauer, »wie die Macht der Zeit die lebhaftesten und schrecklichsten Eindrücke verwischt.«



Man spricht daher auch vom »Entrüstungspessimismus« Schopenhauers. 

Ein halbes Jahrhundert, nachdem Schopenhauer zu seinen ersten schwarz­seherischen Beschreibungen des Lebens gefunden hat, ist die pessimistische Grundtendenz nach wie vor ungebrochen, nur dass der Philosoph noch deutlichere Worte findet: »Die Welt ist eben die Hölle, und die Menschen sind einerseits die gequälten Seelen und andererseits die Teufel darin.« Diese Welt sei ein Ort der Buße, also gleichsam eine Strafanstalt.

Warum diese Sicht der Welt und des menschlichen Lebens? Weil im Menschen der Wunschtraum von einer besseren Welt und einem idealen Leben lebendig ist.

Das Thema „Glückliches Leben“ begleitet Schopenhauer. Zur Erlangung einer relativen Glückseligkeit hat Sch. 50 Lebensregeln (1822 – 28) verfasst. Ein scheinbarer Widerspruch zu seiner pessimistischen Grundüberzeugung. Aber – so Sch. – das philosophische System ist eine Sache, die praktische Lebensweisheit eine andere.

Durch Betrachtung des Lebens und Wandelns der Heiligen, welchen in der eigenen Erfahrung zu begegnen freilich selten vergönnt ist, aber welche ihre aufgezeichnete Geschichte und, mit dem Stempel innerer Wahrheit verbürgt, die Kunst uns vor die Augen bringt, haben wir einen Eindruck jenes Nichts, das als das letzte Ziel hinter aller Tugend und Heiligkeit schwebt.

Dieses Nichts sollten wir nicht fürchten und nicht zu verscheuchen suchen und es nicht umgehen, wie die Inder, durch Mythen und bedeutungsleere Worte, wie Resorption in das Brahm oder Nirwana der Buddhisten. Wir bekennen es vielmehr frei: was nach gänzlicher Aufhebung des Willens übrig bleibt, ist für alle die, welche noch des Willens voll sind, allerdings Nichts.  Aber auch umgekehrt ist denen, in welchen der Wille sich gewendet und verneint hat, diese unsere so sehr reale Welt mit allen ihren Sonnen und Milchstraßen - Nichts.

Das Nichts ist also ein relatives Nichts – bezogen auf die, welche noch des Willens voll sind.

Es geht nicht darum, das Nichts zu wollen, denn ein solcher Wille wäre immer noch „Wille“. Es kommt vielmehr darauf an, nicht zu wollen statt das Nichts zu wollen. (Lütkehaus 103)